Aus einem Tagebuch ... (Teil 1 bis 12)

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      Aus einem Tagebuch ... (Teil 1 bis 12)

      Die folgende Geschichte entstammt meiner Phantasie - sie ist ergo nur eine Interpretation des Spiels 'The Forest' und auch kein fertiges Werk. Je nach dem, welche Resonanz sie hier findet, werde ich es dabei belassen oder sie fortsetzen. Eine Formatierung ist hier irgendwie kaum möglich, daher sieht alles etwas arg trist aus - ich wünsche dennoch allen Lesern viel Spaß :)

      Edit: Teil 1 bis 12 sind nun zusammengefasst als PDF angehängt.

      Edit 2:
      wer ein Verfechter des Link-Klick-sionismus ist ;) dem soll mit folgenden Ankern geholfen sein:

      Teil 1 unter den Links zu
      Teil 2
      Teil 3
      Teil 4
      Teil 5
      Teil 6
      Teil 7
      Teil 8
      Teil 9
      Teil 10
      Teil 11
      Teil 12

      Doch lasst mich nun beginnen ...
      //
      An solch einem Tag sollte man weiß Gott besseres vorhaben, als das Haus auszuräumen, in dem man einst geboren wurde. Meine Mutter starb kürzlich. Bis heute weiß ich nicht, ob der Grund dafür diese unheilbare Krankheit oder doch die Einsamkeit war, die sie dahinraffte. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Kurz bevor ich geboren wurde, so berichtete es mir meine Mum oft, waren er und mein Bruder auf der Rückfahrt in die Heimat bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Ich konnte dies nie so recht glauben, denn zu all meinen Fragen, die ich zum Unfallhergang, zu den weiteren Beteiligten und so weiter stellte, wich meine Mutter stets gekonnt aus. Irgendwann gab ich es auf nach der vollständigen Geschichte zu fragen, es hätte ohnehin nichts an meinem Leben geändert – zumindest stimmte das bis ich ES fand …
      Tief vergraben in der hintersten Ecke des Speichers, unter einem gewaltigen Stapel alter Zeitungen und Zeitschriften aus den 60er und 70er Jahren, entdeckte ich ein seltsam gebundenes Buch. War es in meinen Augen zunächst ein betagtes von Holzwürmern verschmähtes Spätwerk eines unbekannten Autors, machten mich das Format und der Einband dieses Buches dann doch recht stutzig. Ich setzte mich auf einen der vergilbten Tageblattstapel und betrachtete die Lektüre. Das Leder des Einbands war viel samtiger, als das es eine hiesige Ledersorte hätte sein können, viel dünner, fast wie die Haut eines Lamms oder Kalbs. Der Foliant hatte zudem keinen Titel, weder auf dem Einband noch auf der ersten Seite. Ich schlug das Werk auf und stellte fest, dass es praktisch nicht gebunden war. Es machte zwar einen geordneten Eindruck, doch die handbeschriebenen Seiten alten Papiers rutschten teilweise aus ihrer Halterung. In der Mitte erkannte ich, dass die Seiten mit dunkelbraunen und weißen langen Fäden zusammengehalten wurden – es wirkte wie das borstige Haar eines gescheckten Pferdes. Vorsichtig blätterte ich die Seiten durch und erkannte, dass es sich hierbei um ein altes Tagebuch handeln musste. Viele der Einträge waren mit Daten versehen, doch die meisten waren schon kaum noch zu entziffern. Intuitiv begann ich zu lesen

      13. August ...
      Das Rauschen, das verdammte Ruckeln, die entsetzlichen Schreie … und dann … das Geräusch, wie es in einem herzzerreißenden Gekreische auseinander bricht. Nie werde ich es vergessen können. Und mein Junge? Wie konnte ich es nur zulassen … BITTE SAG ES MIR, wie konnte ICH es zulassen??

      15. August …
      Drei Tage ist es nun her, seit dem diese verdammte Maschine abgestürzt ist und nur wenige Stunden, daß ich wieder bei klarem Verstand bin. Ich weiß nicht, wie lange ich bewusstlos war oder man mich ganz und gar für Tod hielt, aber es reichte wohl aus, um mich allein in diesem Schrotthaufen zurückzulassen. Meine ersten Blicke verrieten mir, dass von den schätzungsweise zweihundert Passagieren man mich neben einer toten Stewardess liegen ließ. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wohin sie alle gegangen sind und noch weniger, warum sie ausgerechnet mich nicht nach Lebenszeichen abgesucht haben. Verdammte Bande. Ich sollte mich besser darauf konzentrieren, was vor mir liegt statt den Blick in die Vergangenheit zu lenken. Mein Sohn ist mit den anderen gegangen – vermutlich ist das auch sicherer für ihn.

      Immer wieder durchzucken Erinnerungsfetzen, wie stille Blitze mein Hirn. Die durchdringende Hitze muss mir auf Dauer doch mehr Schaden zugefügte haben, als dass ich physische Schäden an meinem Körper entdeckt hätte. Ich bilde mir Dinge ein, die … die einfach nicht passiert sein können. Ein Traum, nichts weiter. Da war ein Mann … er nimmt meinen Jungen in die Arme und starrt mich an. Im nächsten Augenblick kehrt er mir den Rücken zu und verlässt den Ort im dichten Nebel der aufgewirbelten Erde. Der Fremde war äußerst seltsam, er trug nichts außer ein paar dürren Zweigen und Blättern, um seine Blöße zu bedecken. Die Haut war braungebrannt, wenn nicht sogar schwarz. Doch das seltsamste an ihm waren seine Augen – sie waren irgendwie … irgendwie nicht natürlich. Die Iris brannte wie orangerotes Feuer und doch wirkte der Blick eiskalt.

      Ich bin schon beinahe stolz darauf, wie gut ich mich an mein Training bei der Armee erinnerte. Vielleicht habe ich einfach auch immenses Glück nicht im Amazonasdschungel sondern in einem der hiesigen Wälder gelandet zu sein. Die Pflanzen- und Tierwelt ist mir vertraut, ja es macht mir sogar Mut. Bald werde ich wieder genug Kräfte gesammelt haben, um mich auf den Weg zum nächsten Bach zu machen, der mich früher oder später zu einer nahegelegenen Siedlung bringen wird

      17. August …
      Mein Gott, habe ich mich so täuschen können? Ich erinnere mich nicht, dass der Hinflug über ein großes Gewässer führte, doch da war es, direkt vor mir – ein schier unendlicher See. Der Wald schiebt sich ungewöhnlich nah ans Ufer und selbst in so weiter Entfernung zum Wrack entdeckt man noch so manches Gepäckstück. Es wundert mich, dass keiner der Passagiere versucht hat, seine Habseligkeiten zu suchen. Jeder Koffer und jede Tasche auf meinem Weg lag unberührt und verschlossen vor mir. In all dem Chaos war es mir gelungen an das passende Werkzeug, eine in meinen großen Pranken verloren wirkende Axt, zu denken. Mit Leichtigkeit öffnete ich so ein Gepäckstück nach dem anderen.

      Nach dem ich an der Küste angelangte, neigte sich der Tag bereits dem Ende zu, so war ich gezwungen mir ein Nachtlager zu errichten. Der Weg zurück zur Absturzstelle wäre in der Finsternis unmöglich zu finden gewesen.

      Diese Schreie, immer wieder diese Schreie in der Ferne. Sie klingen wie wütende Insektenhorden, unmenschlich und widerwärtig.

      Die Schreie kommen näher – ich kann spüren, wie sie sich im Minutentakt meinem Lager nähern. Ich muss handeln, ich muss gehen, raus hier, schnell

      18. August …
      Ich habe die Nacht überlebt. Wie? Eine Antwort darauf fällt mir schwerer, als die Last eines tonnen schweren Frachters nur sein konnte. Meine Beine Trugen mich in einem Eiltempo aus dem Lager an der Küste zurück in den Wald. Gerade so aus ihrem Sichtfeld entschwunden, schwang ich mich hinter den nächsten Fels am Waldesrand und beobachtete die makabre Szenerie. Eine Gruppe von vier fast unbekleideten Männern und einer halbherzig angezogenen Frau rannte aus westlicher Richtung kommend aus dem Wald, den Küstenstreifen entlang direkt auf die lodernde Glut meines Lagerfeuers zu. Kurz davor schreckten sie zurück, als hätten sie noch nie zuvor die Quelle allen Ursprungs gesehen. Zwei von den Gestalten betrachteten als bald meinen hölzernen Unterschlupf, der ihnen mehr als bizarr vorgekommen sein musste – zumindest taten sie so, als sei es die größte Erfindung der Welt.
      Dann – wieder ein Schrei aus der Ferne – wie in plötzliche Panik verfallend, rannten alle fünf in Kampfhaltung auf den Waldrand zu – unweit meiner aktuellen Position. Ich duckte mich so tief es mir gelang hinter den Fels und hielt ungeachtet meiner Fähigkeiten die Luft für eine Zeitspanne endloser Minuten an. In Windeseile rauschten die Wilden wie von Sinnen an mir und dem Fels vorbei. Mir gelang es für Bruchteile von Sekunden in eines der Gesichter zu schauen – ich wünschte, ich hätte es nie getan. Mit Holzkeilen durchstochene Wange, gefletscht zu einer hässlichen Grimasse, gepaart mit den wohl gelbsten und schiefsten Zähnen, die man sich denken konnte und einer gespaltenen Zunge bewehrt, kreischte dieser Barbar mit fuchtelnden Armen vorbei in die Schwärze des nächtlichen Waldes. Ich betete dafür, dass diese Wilden mich nicht entdecken mögen und verharrte noch stundenlang in regloser Position.
      Der Tag dämmerte allmählich und erst mit dem Gezwitscher der Amseln wagte ich es, mich zu rühren. Mein Lager - es hatte die Nacht wohl besser überstanden, als sein Erbauer selbst – dient mir seit den frühen Morgenstunden als wärmender Unterschlupf. Schauer komplettierten das nächtliche Grauen mit einer perfekten Art des Unwohlseins. Verstört schaue ich mich immer und immer wieder um, stets in der Hoffnung andere Überlebende statt diese wilde Bande zu erblicken. Bisher jedoch vergebens. Wer immer diese nächtlichen Unholde gewesen sein mögen – sie sind nicht von dieser Welt ...
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      Aus einem Tagebuch ... (Teil 2)

      Vielen lieben Dank für eure positive Meinung zu meinem Geschreibsel :D
      Ihr habt mich überzeugt, die Geschichte fortzuführen. Leider erlaubt mein ursprünglicher Thread nicht mehr als 10.000 Zeichen, daher muss die Fortsetzung an dieser Stelle erfolgen - ich wünsche wieterhin viel Vergnügen und hoffe weiterhin auf so positive Kritik

      19. August …
      Der Weg zurück zum Flugzeug erwies sich als schwerer, als ich gehofft hatte. Da ich im Morgengrauen losmarschierte und bereits seit Stunden unterwegs war, hätte ich das Wrack längst erreichen müssen. Ein umgekippter Baumstumpf, innen völlig ausgehöhlt, diente mir für den Moment als Rastplatz. Die Müdigkeit schien mich einzuholen, es war vielleicht keine allzu schlechte Idee dem nachzugeben – so dachte ich.

      Ein aus unmittelbarer Nähe kommender markerschütternder Schrei lässt mich hochschrecken und vor Furcht erschaudern. Es ist tiefschwarze Nacht – herrje, wie lange hatte ich geschlafen? – als ich SIE wieder sah. Fünf, sechs, acht, nicht weniger als zwölf Männer und Frauen in Adamskostümen liefen nur wenige Meter an meinem Rastplatz – der nun zu einem Versteck wurde – vorbei. Ich reiße meine Augen weit auf und kann vor Ungläubigkeit kaum einen klaren Gedanken fassen. Einige der Männer trugen seltsam anmutende Kelche, die mit Hilfe einer geschickten Konstruktion, auf den Schultern weit über ihren Köpfen gehalten wurden. Aus dem Innern der Kelche loderte eine feuerartige Substanz, die ihnen für wenige Meter einen erleuchteten Pfad bereitete. Zwei von den Kelch-Männern führten die Gruppe an, einer diente dem ganzen als Schlusslicht. Fast wie ein Zug bei Nacht, marschierte die Bande hinter einander durch das Gehölz. Ein paar von ihnen murmelten unverständlich vor sich hin als plötzlich ein anderer Laut ihre Aufmerksamkeit auf sich zog und damit ihren Tross unmittelbar zum stehen brachte.

      Eine junge Frau – zumindest hätte man das von ihr behaupten können, bevor die Wahnsinnigen sie erwischten – rief in just schlechtesten Augenblick, den man sich hätte vorstellen können, um Hilfe. Ich bewegte mich so leise es ging, um durch einen Spalt des morschen Baumstumpf einen Blick in die Richtung zu erhaschen, aus die der Laut kam. Ein kleines Lagerfeuer loderte in weiter Ferne, dessen anmutig tanzende Flammen genug Licht erzeugten, um einen klar erkennbaren Schatten der Frau, die direkt neben dem Feuer stand, auf die Bäume und Büsche zu projizieren. Sie stand aufrecht und spähte in meine Richtung – sie muss die Flammenkelche der Irren gesehen und sie für Taschenlampen eines Suchtrupps gehalten haben.
      In Sekundenbruchteilen preschte die Bande mit erhobenen Fäusten und Beilen unter Gegröle und affenartiger Paarungslaute auf die junge Dame los. Keine zehn Sekunden vergingen, als sie sie erreichten. Gelähmt vor Entsetzen starrte ich ununterbrochen auf die Schlacht – denn als nichts anderes hätte ich das Grauen bezeichnen können. Knochen zerbrachen wie Stöcke; Zehen, Finger, ein ganzer Arm wurde mit Leichtigkeit abgerissen, der Schädel zerbarst unter den gewaltigen Hieben der Beile; das nasse Platschen auf dem Erdboden von hergerissenen Gedärmen; der Schrei der Frau – bis fast nichts mehr von ihr übrig war – hallte noch Stunden später durch die endlosen Wälder.

      20. August …
      Machtlos drehte ich mich fort, schloss die Augen und betete dass die grässlichen Geräusche von splitternden Knochen, spritzendem Blut und kauenden Mündern aufhören mögen. Ich schluchzte leise. Tränen liefen mir in Sturzbächen über die Wangen – wie konnte ich es zulassen? – Hätte ich sie retten können? Nicht wenigstens verteidigen MÜSSEN? … Und ... mein Sohn … Nein … bitte lass es nicht wahr sein …

      Es muss lange nach Mitternacht gewesen sein, bis ich aus meiner Starre erwachte und in völliger Stille, mit dem Rücken in den holen Stamm gelehnt, da saß. Nicht einmal eine Eule oder irgendein anderes Getier erwies mir die Erkenntnis über das Wissen seiner Anwesenheit. Totenstille dröhnte als einziges in meinen Ohren. Ich schaute mich um, sah unbeeindruckt in die Dunkelheit und beschloss aus dem Baumstumpf zu kriechen. Am Ende angelangt, richtete ich mich auf und wandte meinen Blick unmittelbar in die Richtung des Tatortes. Dunst breitete sich nun rasch Knöcheltief aus und erschwerte mir einen sicheren Pfad durch das Unterholz.
      Die letzte Glut glomm im Lagerfeuer vor sich hin, dünne Rauchfäden durchzogen wie winzige Peitschen den Bodennebel. Dunkle Spritzer und Lachen getrockneten Blutes ersuchte ich bestmöglich zu umgehen. Winzige Hautfetzen und vereinzelte Büschel einst blond-gewellten Haars war alles, was von diesem jungen Menschen übrig geblieben ist. Diese gewaltige Zerstörungskraft – unmöglich hätte ich ihr beistehen können. Ganz gleich wer oder was auch immer diese Kannibalen sein mögen, ich musste jederzeit mit dem schlimmsten rechnen – ich musste mich verteidigen! Und allein diese nahezu lächerlich winzige Axt in meinen Händen war bei weitem nicht genug …

      Ich erspähte einen Camper-Rucksack zwischen den niedergemähten Büschen. Ein Blick hinein genügte – pflückte ich kurzerhand drei Glasflaschen und einen dünnen Pullover, den ich in möglichst gleichgroße Stücke zerriss, heraus. Es war mein Glück, dass die Flaschen irgendeinen billigen Fusel enthielten und so bastelte ich mir in Kürze eine gefährliche Waffe. Ich entdeckte noch die Reste einer Snack-Party auf dem Boden des robusten Rucksacks und beschloss alles, was mir irgendwie nützlich erschien, in ihn hineinzustopfen. Letztlich schnappte ich mir zwei Hand voll trockene Erde und warf sie über die lodernde Glut, welche nun ihren letzten Atemzug vollführte und der Qualm bald ganz verstummte. Als ich mich ein letzten Mal auf den Boden hockte, um nachzusehen, ob es noch irgendetwas persönliches der jungen Frau gab, was ich in Gedenken an sie hätte mitnehmen können, schweifte mein Blick zwischen zwei junge Bäume hindurch.

      Eine Art Glitzern in der Luft rief meine Aufmerksamkeit auf den Plan. Wenige Schritte in Richtung des Funkelns, über einen sanften Hügel hinweg, erkannte ich die Ursache für die Lichtbrechung – ein mit großen Rosenblättern bedeckter Teich, dessen ansonsten stille Oberfläche von Mückenschwärmen betupft wurde. Hinter dem Waldteich, weitaus interessanter und doch bereitete es mir größtes Unbehagen, drei hohe hölzerne Gebilde. Fast wie Finnenhütten ragten sie unberührt auf einer Lichtung gen Himmel. Ich machte mich auf den Weg …

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      Aus einem Tagebuch ... (Teil 3)

      Ich wünsche weiterhin viel Spaß beim Lesen ... wahrscheinlich kommt heute noch die vierte Fortsetzung ...
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      Fortsetzung (20. August) …
      Ich erreichte die Hütten binnen weniger Augenblicke und schaute mich geschwind nach Hinweisen, Spuren, vielleicht sogar nach Lebenszeichen anderer Überlebender … meines Sohnes um. Die Holzzelte waren schlecht zusammengezimmert – überall tropfen Regenreste durch die undichten Dächer, Moos überwuchte schon einen Großteil der Planken, die wahllos ausgesucht und wie ein schlecht geklebtes Modell schief im Wind knarrten. Die Hütten waren leer, nur eine steinzeitliche Feuerstelle lag mir in jeder Behausung zu Füßen, doch wirkte sie, wie seit Wochen unbenutzt. Enttäuscht entschwand ich des zuletzt erforschten Holzbaus und sah mich auf der Lichtung um. Das recht hohe Gras auf dem Boden der Fläche wog sich zum Takt der Nadelbäume am Rand der Lichtung. Flache Strahlen der aufgehenden Sonne brachen durch die Wolkendecke und lichteren Baumbestände auf den verlassenen Platz. Jetzt erst erkannte ich wie bizarr dieser Ort tatsächlich war – rings um die Hütten, nahe den Kiefern und Fichten standen symbolische Angstmacher, fast wie Totems in Form aufgespießter Körperteile auf stärkeren Astgabeln senkrecht im Boden. Überwiegend waren es Köpfe, Arme und Beine, die angesichts ihres stark verwesten Zustandes, eine Ewigkeit hier platziert sein mussten. Dieser Ort als Ganzes betrachtet, musste zweifelsohne ein Ritualplatz sein. Furcht erfüllte mich und mein Magen begann zu rebellieren, der modrige Leichengeruch auf dieser Lichtung verstärkt die Wirkung der Übelkeit um ein Vielfaches. Kurzerhand beschloss ich diesem Lager den Rücken zu kehren – auch in Anbetracht der exponierten Lage, hätte jede weit entfernte Person einen großgewachsenen Mann wie mich bald entdeckt. Einer Entdeckung der Wilden vorzubeugen machte ich mich auf den Weg zurück ins Unterholz und weiter in Richtung Osten.

      Gegen Mittag brannte die Sonne heiß und ungnädig hinab, während die Luft im Unterholz flimmerte und das trockene Gestrüpp wie winzige Krallen an meinen Schienenbeinen kratzte. Da es keine sichtbaren Pfade gab, fragte ich mich unlängst, wie diese Wilden es ohne Schuhwerk aushielten – doch selbst das spitze Steingut am Strand vor einigen Nächten machte ihnen wohl nicht das geringste aus. In meinem Kopf dröhnte es, Migräne machte sich breit. Seit Stunden hatte ich keinen Tropfen Wasser mehr zu Gesicht bekommen – als bald bildete ich mir ein, Stimmen aus weiter Ferne zu hören. Stimmen die meinen Namen zu rufen schienen. Unbewusst meiner Handlungen rief ich wohl ein oder zwei Mal zurück, doch nie erhielt ich eine Antwort. Dann, tief in Gedanken versunken, fand ich mich auf einer weiteren Lichtung direkt vor einer schätzungsweise zehn Meter hohen Felswand wieder. Wie deplatziert wirkte dieses Gebilde – so war es vielleicht zehn Meter hoch, nahezu unbezwingbar und doch nur wenige hundert Meter lang. Nie zu vor habe ich ein seltsameres natürliches Bauwerk gesehen, wie dieses. An der Wand entlang blickte ich zunächst nach Süden – der brennende Feuerball, genannt Sonne, stieß ihre lodernden Peitschen direkt in meine Augen, sodass ich für einen Augenblick blind zu sein schien, bis sich die Umgebung in den buntesten Diskokugeln vor meinen Augen wieder materialisierte. Im Nachhinein dachte ich mir nur, wie einen diese Hitze zu verdummen schien und wandte mich sogleich nach Norden, was meine erste Handlung hätte sein müssen. Kaum, dass ich die Kehrtwende vollzog und den ersten Schritt in Richtung des nördlichen Waldes tat, hielt ich inne. Ein paar Kieselsteine rollten die Felswand hinab und brachen den ein oder anderen größeren Brocken ab, zusammen rutschten sie wie Lawinen im Hochgebirge in die Tiefe, unmittelbar wenige Meter hinter mir kamen sie zum erliegen. Langsam blickte ich hinauf, gerade so erhaschte ich das Gesicht eines Mannes, der mit wahnsinnig hoher Geschwindigkeit in die entgegengesetzte Richtung entschwand. Sie wussten, wo ich war – ich musste handeln. Ich rannte im Trab los, um schnellstmöglich das schützende Unterholz zu erreichen und brach durch das unwegsame Gelände. Zweige klatschten mir mitten ins Gesicht und ich spürte, wie sie spindeldürre, hässliche Schnittwunden hinterließen.

      Ich wagte es nicht, mich während meiner Flucht umzudrehen, und so rannte, trabte und schließlich schleppte ich mich durch den Wald. Nach geschätzten fünf Kilometern stolperte ich über eine Wurzeln und viel der Länge nach hin. Ich prallte mit der Brust gegen einen Stein und rang anschließend nach Luft. Minuten lang blieb ich in dieser ungelenken Position liegen, bis ich mich unter Stöhnen auf die Hände stützte. Blut- und Dreckverschmiert lächelten sie erbost zurück und spotteten nahezu über meine Hilflosigkeit dieser offensichtlichen Hölle zu entkommen. Als ich hustete durchzuckte ein tiefer Schmerz meinen Brustkorb und ich spürte, wie ich mein Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzerrte. Doch dann hörte ich etwas, das ich mir zweifelsfrei einbilden musste …

      Aus einem Tagebuch ... (Teil 4)

      Und Teil 4 folgt auf dem Fuße ... viel Vergnügen
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      Unmittelbar vor mir befand sich ein weiterer bedeutungsloser Hügel und was sich dahinter befand, wurde mir angesichts der unmissverständlichen Geräusche schnell bewusst. Ich versuchte sodann mich aufzurichten, was mir nur unter größter Anstrengung und weiterer schmerzlicher Stiche in den Brustkorb gelang, und ging anschließend Meter um Meter dem Klang des Verdachts entgegen.

      Da stand ich nun, ernüchtert von der Wahrheit, den Tränen der Wut nahe und zitternd der Furcht vor dem, was in den Wäldern hinter mir auf mich lauerte. Vor mir erstreckte sich ein Ozean. Das nahezu perfekte Wetter erlaubte mir den Blick an den endlosen Horizont. In jede Meeresrichtung geschaut, blitzte und blinkte die Wasseroberfläche und lächelte mir die Wahrheit wie ein Schlag ins Gesicht entgegen. – ich befand mich auf einer gottverdammten Insel! Meine Beine begannen zu beben und gaben schließlich nach. Mit einem Ruck kniete ich in den feinen Sandstrand – den Blick weiter auf die Hoffnungslosigkeit gebannt – und legte die Hände vors Gesicht.

      Einige Zweige knacksten im Unterholz hinter mir, dünne Äste wurden abgebrochen und fielen von den jungen Bäumen hinab auf den sandigen Boden. Ein unmissverständliches Knurren durchbrach den beruhigenden Gesang des seichten Wellengangs. Ein ekelhaft großer Kloß bildete sich in meinem Hals, den ich versuchte hinunterzuschlucken, der bei jedem Schlucken scheinbar an Größe zunahm. Ich öffnete die Augen und nahm in Zeitlupe die Hände vom Gesicht, wie ich im gleichen Augenblick meinen Kopf drehte und meinem Schicksal in die Augen blickte. Zwei Wilde starrten mich mit ihren hässlichen orangen Augen an. Einer der Beiden versuchte zu lächeln, in dem er seine hässlichen gelben Stumpen im Mund entblößte. Der andere senkte einen am Ende angespitzten dünnen Ast und richtete deren scharfe Mündung unmittelbar auf mein linken Auges. In Bruchteilen von Sekunden exerzierte ich alle Möglichkeiten durch – und das waren angesichts der Umstände und der nachmittäglichen Sonneneinwirkung nicht viele –, die mein Leben aus dieser schier ausweglosen Situation retten konnten. Ein plötzliches Poltern, aufgrund eines durch die Flut bewegten Steines an einem alten Baumstumpf, der den Sandstrand dekorierte, sorgte für die perfekte Ablenkung, die mir wiederrum keine einzige Sekunde Zeit lieferte, zu handeln. In dem Moment, wo die Barbaren den Polterer mit ihren Augen erblickten, wirbelte ich herum, packte die vor meinen Augen tanzende Lanzenspitze und zerrte an ihr. Der Lanzenträger erschrak und brüllte mich mit unverständlichen Lauten an, während der zweite des Gespanns nach hinten kippte, einen Stein zu fassen bekam und ihn mit gewaltiger Kraft schleuderte. Dieser sauste um Haaresbreite an meiner rechten Schläfe vorbei und landete torkelnd im Sand. Mit unglaublicher Kraft zog der Wilde mit einem Ruck an dem Ast und verpasste mir einige tiefere Schnittwunden in den Handflächen. Trotz der Schmerzen ließ ich jedoch nicht los und zerrte unter dem kläglichen Versuch gleichermaßen kraftvoll in die entgegengesetzte Richtung. Der Wilde brüllte erneut, jedoch mit unnatürlich tiefer und weitaus bedrohlicher Stimme. Er umklammerte das Ende des Astes und drückte mich mit dem Rücken voraus in den Sand. Was dann folgte, war möglicherweise der entscheidende Punkt, der mein Schicksal und somit den Ausgang meiner Geschichte besiegelte.

      In unmenschlicher Manier richtete sich der Kannibale über mir auf und drückte die messerscharfe Spitze seiner Waffe Stückchen für Stückchen in Richtung meines Herzens. Dem gewaltigen Druck hatte ich noch kaum verwertbare Kräfte entgegen zu setzen. Wir rangen minutenlang in dieser Position, bis ich schließlich mit dem allerletzten Versuch die Speerspitze von mir abzulenken dem Angreifer die Gelegenheit gab, seine Waffe nicht in mein Herz, sondern in meine linke Schulter zu treiben. Ich entsinne mich meines lauthalsen Schreis nur bedingt, denn der Schmerz ließ jeden Einfluss um mich herum vergessen und versetzte mich in eine bewusstlose Starre.

      Später …
      … wie lange ich bewusstlos war? Vermag ich nicht beschreiben, ebenso wie mir unbegreiflich war, dass ich scheinbar noch am Leben gelassen wurde. Ich tappte in völliger Dunkelheit – zumindest, bis sich meine verklebten Augen an die tiefe Schwärze dieses Ortes gewöhnten. Benommen und unter noch größeren Schmerzen in Brustbein und Schulter setzte ich mich auf. Dass ich mir unbewusst mit der rechten Hand an die linke Schulter fasste, bemerkte ich erst, als diese die blutverschmierten Überreste meines kurzen Hemdärmels berührten. Meine Kehle war nahezu ausgetrocknet, das Schlucken kam mir wie Schwerstarbeit vor. Bei jeder Bewegung, die ausnahmslos von Qualen begleitet wurde, wurde mir Schwarz vor Augen. Ein unwillkommener Schmerzenslaut des entzündeten Brennens meiner Schulter hallte laut und deutlich, wie in einem riesigen Hohlraum wider. Nur sehr zögerlich traten auch meine anderen Sinne wieder in den Vordergrund und ich spürte bedingungslose Kälte und schmeckte die stickige feuchte Luft, die nebulös meine Haut benetzte. Unmittelbar vor mir befand sich ein größerer Stein, der mir die Sicht auf weiteres versperrt. Ich packte mit der rechten Hand den Fels, biss die Zähne zusammen und zog meinen erschlafften Körper hinauf. Mein Gesichtszüge entglitten mir merklich, als ich über den Rand des Felsbrockens schaute und vor entsetzen beinahe erbrach …

      Aus einem Tagebuch ... (Teil 5)

      vielen Dank, ja heute läufts richtig gut, trotz der großen Hitze :D
      Deshalb gehts hier gleich weiter mit Teil 5.
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      Im flackernden Schein einiger kerzenartiger Gebilde, sah ich leblose Körper von der Höhlendecke baumeln. Mit simplen Stricken wurden sie dort in der Finsternis befestigt und wie Schlachtschweine zum Ausbluten hingehängt. Einige von Ihnen, das war bei näherer Betrachtung deutlich zu erkennen, mussten schon bedeutend länger dort oben hängen, als andere. Die Kleidung mancher Opfer war getränkt in schwarzgeronnenem Blut, die anderer, war praktisch nicht mehr vorhanden. Auch das Geschlecht des ein oder anderen Dahingeschlachteten war nicht mehr zu erkennen, so verwest oder derartig verstümmelt fristeten sie ihr materielles Dasein in diesem Vorort der Hölle. Ermattet von der Erkenntnis – dies musste mein Grab sein – sackte ich zurück und saß apathisch vor dem Fels. Ganz in meiner Nähe, so nahm ich es zumindest wahr – tropfte unaufhörlich Wasser in ein tiefes Becken. Der Gestank dieser Krypta war unbeschreiblich.

      Beinahe gänzlich ermüdet und vollkommen ausgebrannt, raffte ich mich ein letztes mal auf, unterdrückte dabei so gut es ging jegliches Schmerzgezeter, und trottete hinkend zu den mit Kerzen dekorierten Ort hinab. Die meisten Leichen hingen so hoch, dass man sie nur mit Mühe in der Dunkelheit ausmachen konnte, andere wiederrum waren derart tief platziert, dass ich mich um sie herumschlängeln musste, um sie nicht zu berühren. Die Kerzen waren auf einem Tisch platziert – sie zierten dabei wie auf einem Altar die Überreste eines beleibten Mannes, dessen blutige Überreste seiner Gedärme ihm aus dem Bauch hinausbaumelten. Ich unterdrückte erneut mein Verlangen mich unverzüglich zu übergeben, riss mich zusammen und besann mich an meinen eisernen Willen, den ich mir vor Jahrzehnten im Armeedienst aneignete. Zu Füßen des Leichentisches standen zwei große Campingrucksäcke. Am anderen Ende des Tisches, unmittelbar neben dem Kopf des Leichnams steckte eine große Holzfälleraxt in den Planken – offensichtlich nicht das Tatwerkzeug zu diesem Mord. Die Schneide war leicht angerostet, aber sonst tadellos. Erstaunlich leicht ließ sie sich aus dem Holz ziehen, ich nahm an, der Holztisch war durch die Feuchtigkeit zu einem modrigen Klappergestell geworden, dass demnächst oder doch erst in hundert Jahren in sich zusammenbrechen würde. Doch selbst durch das Herausziehen der Axt gab der Tisch keinen Laut von sich. Mir war danach, jedes einzelne baumelnde Opfer von der Decke zu holen und sie zu begraben, doch war das ein unmögliches Unterfangen, der Höhlengrund bestand zum Großteil aus festem Gestein.

      Während ich mich noch etwas in der Höhle umsah, erkannte ich eine kreisrunde reflektierende Fläche in nicht allzu großer Entfernung auf dem Boden. Ich näherte mich humpelnd, immer bedacht die Leblosen über mir nicht zu berühren, und identifizierte das Objekt als Taschenlampe – ich betete dafür, dass die Batterien noch nicht ihren Geist aufgegeben hatten und bewegte den Schiebeschalter nach vorn – ein zunächst flackerndes, dann stabiles rundes Gebilde aus künstlichem Licht erhellte eine Fläche an der Höhlenwand. Erleichtert, schon beinahe erfreut atmete ich tief durch und schwenkte die Taschenlampe umher. Immer mehr Objekte lagen nun sichtbar zu meinen Füßen auf dem gesamten Boden verstreut, von Münzen angefangen über Stofffetzen bis hin zu Schmuck. Waren dies zweifelsfrei die letzten Habseligkeiten dieser armen Seelen, dessen Wert den Kannibalen nichts bedeutete. Alles, was mir irgendwie nützlich erschien, verfrachtete ich in einen der Rucksäcke und schulterte diesen. In einer Ecke der steinernen Kammer blitzte ein rotglänzendes Etwas auf, das mir aus der Ferne betrachtet irgendwie vertraut vorkam und fixierte es. Nachdem ich mich auch diesem Objekt genähert hatte, demaskierte ich es als Pistole – doch die Vorfreude über diesen Fund währte nicht allzu lang, als ich die wahre Funktion dieser Waffe erkannte. Die beiliegende Munition, extrem großkalibrig und überproportioniert zur Waffe selbst, funkelte im Schein des künstlichen Lichtes. Es musste die Leuchtpistole des Flugzeugkapitäns sein. Dennoch beschloss ich sie mitzunehmen. Unweit meiner Position mündete die Höhle in einen flachen, aber gut erkennbaren Durchgang in der Felswand. Ich leuchtete hinein, erkannte einen Gang, der sich am Ende in einen recht steilen Winkel nach oben neigte und kroch impulsartig hinein. Es war unmöglich zu erklären, was mich angesichts dieser Mord-Grube antrieb nach Auswegen zu suchen, doch tat ich es mit annähernd so etwas wie Zuversicht.

      Der schmale Gang hatte keine Abzweigungen, ebenso gab es keine Anzeichen irgendeines Lebewesens, dennoch verhielt ich mich so ruhig es mir möglich war und lahmte mich Schritt um Schritt vorwärts. Vor mir tat sich nun eine größere Grotte auf, dessen Boden zum Großteil von knöcheltiefem Wasser bedeckt war. In diesem Bereich fand ich mindestens drei weitere Personen an der Höhlendecke hängend vor, wandte meine Blicke jedoch schnellstmöglich wieder ab und schritt um einen Felsbrocken herum, der vor Äonen von Jahren von der Decke gestürzt sein musste. Vor dem Ufer des seichten Gewässers blieb ich stehen und leuchtete nach einem Ausgang. Mir unmittelbar voraus befand sich ein weiterer Gang, dessen Ende erneut spitz zulief und noch weiter nach oben führte. Ich war nahe dran, einen Schritt in das Wasser zu tun, als mir just in diesem Augenblick eine merkwürdige Spiegelung auf der Gewässeroberfläche ins Auge fiel. Stutzig betrachtete ich die Wiedergabe eines nicht von mir verursachten Lichtes - ein tiefes Knurren ertönte, durch die Größe der Grotte vernahm ich es wie das Brodeln eines Gewittersturms, ließ mich augenblicklich erstarren. Sie waren wieder da, entdeckten mich, sie werden mich töten …