Offtopic Story: Mantis, oh Mantis, where art thou?

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      Offtopic Story: Mantis, oh Mantis, where art thou?

      Zu meinem letzten Ereignis - dem Intermezzo mit Kröte - passend, darf ich heute etwas präsentieren, das mich in mehrfacher Hinsicht richtig beeindruckt hat:


      Manits, oh Mantis, Where art thou?


      Ich bin selbst in vielen Dingen nicht allzu bewandert was gewisse Dinge wie Biographie oder Geographie angeht, in vielerlei Hinsicht auch im Thema "Allgemeinbildung", da ich mich gerne auf das verlasse was im Leben so passiert und dahingehend selbst entscheide was für mich relevant ist und was nicht. So war ich natürlich stark verwundert, denn ich ging davon aus, dass im deutschen Raum keinerlei frei- oder wildlebende Gottesanbeterinnen rumlaufen. Maximal im Zoo oder an ähnlichen Orten, aber keineswegs frei (Da bitte ich um Meinungen dazu!).

      Da kam die Frau dann an, hielt mir von der Terrasse ein Blatt hin wo ich mir dachte "Hm, ein Blatt? Doch nichts Außergewöhnliches 8| " - als ich durch die Balkontür hindurch ging um das Ganze näher unter Betrachtung zu nehmen, fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren -> Eine Gottesanbeterin, so klein, dass man sie kaum wahrnehmen konnte. Ihr Kopf nicht größer als der einer handelsüblichen Bürostecknadel, mit freiem Auge war das ganze Tier gerade noch so zu erkennen.

      Ich wusste anfangs nicht recht was ich tun soll: Einfach nur genießen und das solange es nur geht, mit ihr versuchen irgendwie in Kontakt treten oder doch total hektisch die Kamera holen und irgendwie aus der Angst heraus, das Tier in seiner völligen Pracht irgendwann zu vergessen, trotzdem probieren wobei ich jedoch genau wusste, dass das notwendige Equipment für die Kamera, um das klitzekleine Tier abzulichten, weder schnell genug in Betrieb genommen werden kann, geschweige denn dass es möglich sein wird damit in der verfügbaren Zeit tatsächlich etwas realisieren zu können. Ich habe mich dafür entschieden das Tier einige Zeit lange zu beobachten, die Kamera in Ruhe zu holen und das Megaequipment wegzulassen - das Makroobjektiv jedoch bereitgelegt.

      Während die kleine Mrs. Mantis hektisch herumlief, sich ständig versuchte vom Blatt zu stürzen und alles andere als ruhig war, holte ich die Kamera, stellte mir auch das Stativ für alle Fälle dazu und versuchte aus allen möglichen Perspektiven gute Aufnahmen hinzubekommen. Später mit dem Stativ probiert, kam ich drauf, dass das ein absoluter No-Go ist da da Stativ nie so stabil und gleichzeitig so weit unten von der Kamerahöhe positioniert werden konnte. Im Verzweiflungsakt schnallte ich das Standardobjektiv ab und das Makroobjektiv - welches mit freier Hand kaum scharfe Bilder zulässt - angedockt. Ich knippste weiter, wie ein Verrückter.

      Erst dann fiel es mir auf, dass meine Kleine Miss Mantis schon die ganze Zeit viel ruhiger war. Am Anfang konnte ich das nicht wirklich wahrnehmen da man von "Ruhephasen wo das Tier auch selbst sagt, dass es nicht immer rumlaufen möchte" ausgeht. Erst da fiel es mir dann bewusst auf. Sie schien absichtlich für mich ruhig zu halten hatte ich den Eindruck. Im Zuge der Tatsache, dass sich ohne Stativ mit dem Makroobjektiv nicht viel mehr tun wird als ich eh schon erreichte und die restlichen Bilder über das Standardobjektiv genügen müssen, klippste ich den Objektivdecke drauf, legte die Kamera zur Seite und versuchte mit dem Blatt der Kleinen wieder die Möglichkeit zu geben aufzusteigen und von mir in die nächstgelegene Sicherheitsebene zu wandern wo ich sie runter- und somit wieder in das freie Leben - entlassen konnte.

      Es war soweit - der Akt der Kommunikation kam auf mich zu ohne es beabsichtigt zu haben; ich wurde eingeladen. Von Miss Mantis. Denn da stand sie nun auf dem Blatt, das ich auf meiner Kopfhöhe vor mir hielt um sie genauer beachten zu können. Sie stand da, ganz ruhig, bewegte sich kein bisschen und drehte sich plötzlich mit dem Kopf zu mir. Ein Schauer fuhr durch mich durch, gefolgt von Gänsehaut da ich damit nicht gerechnet habe ... da ich mit der Art und Weise, die mir das Gefühl gab, sie wurde mir direkt in die Augen, tief hinab und in mich hinein, blicken, nicht gerechnet habe. Was ich verspürte, weiss ich nach wie vor nicht zu deuten. Es war jedoch etwas da das mich tiefe, noch nie dagewesene Verbundenheit zu einem Tier dieser Art empfinden ließ.

      "Klar ... ", sagte ich zu mir schon zu dem Zeitpunkt als meine Frau mit dem Tierchen am Blatt tragend ankam und die Faszination sich begann in mir auszubreiten, "Krabbeltiere bleiben Krabbeltiere und diese möchte ich nicht auf mir herumkrabbeln spüren!" da es mich irgendwie anekelt die ganze Beine auf mir herumlaufen zu spüren. Allerdings brannte in mir das Bedürfnis zu stark schon wo ich sie auf Bild festgehalten hatte, mit ihr eine interessante, noch nie dagewesene Art der Interaktion zu erleben schien. "Ich .... doch ... du kannst, du MUSST!" knallte es hagelschlagartig in meinem Kopf. Und so erhob ich den linken Arm, direkt neben das Blatt zur Linken die Hand. Ich kann mich nicht mehr an einen Übergang oder ein Ereignis dazu erinnern, sie war auf einmal auf meiner Hand. Abermals durchfuhr mich tiefster, in mich eindringender Schauer, obgleich von schier größerer Faszination, die gänzlich alleine imstande war mich körperlich wie auch psychisch ruhig zu halten.

      Nun saß sie da, die kleine Miss Mantis, wir haben uns weiter angesehen, gegenseitig in unsere Augen gestarrt. Zu meinem Erschrecken begann sie eine leicht angespannte Haltung einzunehmen, die Arme nach vorne zu halten, schien sich aber zu meiner Erleichterung und gleichzeitig Freude nur putzen zu wollen was sie auch tat - mit den Armen auf- und zuklappend streifte sie sich über ihren wunderschönen Kopf mit den Aug-Bereichen, die mit der restlichen Körperfarbe zu verschwimmen schienen, immer und immer wieder. In dieser Zeit der Entspannung konnte ich wahrnehmen, dass ich meine kleine Miss Mantis gar nicht spürte - weder vom Gewicht, noch vom Gefühl, etwas würde auf mir sitzen. Umso mehr ich mich drauf einließ, umso mehr spürte ich ihre Präsenz, aber nicht die Berührungen ihrer Beine. "Sie steht momentan nur und bewegt sich nicht" versuchte ich mir rational zu erklären und als ob sie meine Gedanken "gehört" hätte, setzte sie langsam einen Schritt nach dem nächsten auf meiner Hand, ging dabei auf und ab auf mir, um mir zu zeigen, dass es mittlerweile schon keinen Unterschied mehr machte ob ich es mir einzubilden meine oder oder nicht - es gab keine kleinen Beine mehr zu spüren, die krabbelndes Gefühl hinterließen. Alles was es gab war die Anwesenheit ihrer Existenz als Lebewesen und ein sonderbar, bis dato ungewohntes, wunderschönes Gefühl das ich nach wie vor nicht beschreiben kann. Jeden einzelnen Schritt vernahm ich als vollkommene Energie ihrer selbst, nicht als Tier, nicht als Krabbelvieh, sondern als Lebewesen gleichen Ursprungs wie auch ich selbst.

      Ich wusste, dass es nun Zeit war auch dieses Tier wieder in die Obhut ihrer natürlichen Umgebung abzugeben, auch deswegen weil ich das Wunderschöne, dieses Einmalige, nicht überstrapazieren wollte. Ich wollte auf keinen Fall einen negativen Eindruck zurücklassen und es so handhaben wie man oft sagt: "Man sollte aufhören wenn es am schönsten ist". Natürlich war ich traurig und natürlich verspürte ich stark den Drang, der eigentlich ein Übel der selbstauferlegten Macht des Menschen ist, alles was fasziniert einzufangen und zu behalten da man nicht mehr ohne dies sein möchte - wobei man immer wieder verkennt, dass es einem Einsperren gleicht. Einem Einsperren, das die Faszination und somit alles Leben langsam mit der Zeit töten wird.

      Ein letztes Mal versuchte ich - diesmal bewusst - mit ihr gedanklich zu kommunizieren und wünschte ihr alles Gute mit einem abschließenden "Tschüss" bevor ich sie auf ein Blatt eines Busches in der Nähe setzte, das mir passend für sie erschien.

      Danke liebe Miss Mantis, auch du wirst es womöglich nie lesen, dennoch vielen Dank für das Bei-mir-sein und für diese Erfahrung, die zweifellos ohne Ihresgleichen sucht <3
      Bilder
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      Das ist in der Tat eine ungewöhnliche und spannende Erfahrung! ^^ Es ist fantastisch, dass es dir gelang, diesen Augenblick mit der Kamera einzufangen - somit hast du etwas festgehalten, dass für unsere Breitengrade höchst selten sein dürfte.

      Wobei ich in diesem Zusammenhang glaube, dass dies ein Zeichen für den Klimwandel ist. Wo es solchen Geschöpfen noch vor 10 oder 20 Jahren zu kalt gewesen sein könnte, haben sie nun (die Körpergröße deutet daraufhin) Lebensraum gefunden ^^

      Wenn dir irgendwann einmal eine "Kurzhals-Giraffe" begegnet, die im Garten die Blätter an den Brombeersträuchern abknabbert, halt die Kamera bereit!

      Sehr einfühlsam und mit voller Herzblut für diesen Moment geschrieben, bitte gern mehr davon. :)

      KiiZuuRaa schrieb:

      Wenn dir irgendwann einmal eine "Kurzhals-Giraffe" begegnet, die im Garten die Blätter an den Brombeersträuchern abknabbert, halt die Kamera bereit!
      Sehr einfühlsam und mit voller Herzblut für diesen Moment geschrieben, bitte gern mehr davon. :)

      Wann auch immer es sich (wieder) ergibt liebe @KiiZuuRaa, wann auch immer es sich ergibt <3
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